41 | Über die Zukunft

41 | Über die Zukunft

2560 1436 Clemens Pistauer

Quelle: pixabay

Ein großes Gewebe mit vielen Fäden

Im Artikel 40 | Über die Zukunft 1 habe ich unter anderem die Frage aufgeworfen, ob es sinnvoll und hilfreich ist, die Zukunft zu kennen. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass man durchaus manchmal Ahnungen über zukünftige Entwicklungen haben kann. Dies können Hinweise unserer inneren Stimme – der Stimme der Intuition – sein, die uns dabei unterstützen möchte, den für uns und alle anderen bestmöglichen Weg zu nehmen. Abgesehen davon halte ich es aber für sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich die Zukunft exakt vorherzusagen. Wenn wir davon ausgehen, dass wir grundsätzlich einen freien Willen haben – nämlich wir alle – und auch abgesehen von gewissen Schlüsselereignissen (siehe dazu den vorherigen Artikel) in unserem Leben, die mehr oder weniger vorherbestimmt sind, Gebrauch machen können, dann ergibt sich daraus ein ziemlich großer Spielraum. Stellen Sie sich 7,8 Milliarden Menschen vor, die alle einen freien Willen haben, und – natürlich in gewissem Rahmen und eingebettet in die Möglichkeiten ihres jeweiligen Lebens – davon Gebrauch machen. Dadurch, dass mein Leben sehr eng mit dem Leben anderer Menschen verknüpft ist, hängt meine Zukunft bis zu einem gewissen Grad auch davon ab, welche Entscheidungen andere Menschen treffen. Wenn jetzt die Menschen ständig Entscheidungen treffen und damit quasi „Abzweigungen nehmen“, dann wird es meiner Ansicht nach sehr schwierig, die Zukunft exakt vorherzusagen. Denn alle diese Menschen können durch ihre Entscheidungen die Zukunft beeinflussen. Für mich persönlich ist es nicht wichtig, die Zukunft zu kennen. Ich vertraue darauf, dass sie gut wird und versuche, durch meine Handlungen und Entscheidungen im „Hier – und – Jetzt“ dazu beizutragen, dass es so wird.

 

Werde ich dich schlagen, oder nicht?

Passend zu dem oben Gesagten über den freien Willen und unsere Entscheidungen gibt es eine sehr anschauliche Anekdote aus dem Leben des Philosophen Diogenes. Laut der Überlieferung besuchte Diogenes immer wieder auch die diversen Festspiele der griechischen Welt. In Olympia traf er einmal auf einen Wahrsager, der von einer ganzen Traube von Wissbegierigen und Schaulustigen umringt war.

Diogenes arbeitete sich zu ihm vor und fragte ihn:

„Bist du ein guter oder ein schlechter Weissager?“.
„Ein hervorragender“, antwortete dieser.
„Gut, machen wir die Probe aufs Exempel“, kündigte Diogenes an und hielt seinen Stock, den er dabei hatte in die Höhe:
„Werde ich dir den Stock auf den Kopf schlagen oder nicht?“.

Der Seher dachte eine Zeit lang nach und verkündete dann das Ergebnis seines Blickes in die Zukunft:

„Du wirst es nicht tun“, antwortete er.

Kaum hatte er das gesagt, ließ Diogenes den Stock, unter schallendem Gelächter, auf den Kopf des Sehers niedersausen. Die Umstehenden schrien empört auf.

„Warum dieses Geschrei?“, fuhr Diogenes sie an -“Da er sich als schlechter Wahrsager erwiesen hat, hat er sich die Prügel redlich verdient.“*

Das war, zugegebenermaßen, ziemlich gemein, veranschaulicht aber meiner Ansicht nach trotzdem, dass wir einen freien Willen haben – auch wenn das hier natürlich ein wenig auf die Spitze getrieben wird. Denn selbstverständlich kann Diogenes immer genau das Gegenteil von dem tun, was der Wahrsager ihm vorhersagen wird. Das ist quasi der freie Wille in Aktion!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass sich die Zukunft für uns positiv und erfreulich ergeben möge!

 

* entnommen aus:

Karl Wilhelm Weeber: ”Diogenes – Die Gedanken und Taten des frechsten und ungewöhnlichsten aller griechischen Philosophen”, Nymphenburgerverlag., München 1987

 

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